Trei Real Estate baut und verkauft Immobilien – allerdings immer weniger in Deutschland. Hiesige Projekte rechnen sich schlicht nicht mehr, sagt Vorstand Pepijn Morshuis. Seine Alternative: Polen und die USA. Dort sei Bauen einfacher, schneller und günstiger.
Der Wohnungsbau in Deutschland steckt immer noch in der Krise: Dass die jährlich notwendigen 400.000 neuen Wohnungen nicht erreicht werden, liegt aber nicht nur an gestiegenen Zinsen oder fehlendem Bauland, sagt Pepijn Morshuis, Vorstand des international tätigen Projektentwicklers Trei Real Estate, sondern auch an selbst auferlegten bürokratischen Zusatzaufgaben, speziell in Deutschland.
Trei Real Estate mit Sitz in Düsseldorf baut, entwickelt und verkauft Wohn- und Handelsimmobilien, Projekte im Wert von 1,7 Milliarden Euro sind in der Planung – immer weniger davon allerdings in Deutschland, sondern eher in den USA und vor allem in Polen. Dort sei vieles einfacher, schneller und günstiger, sagt Morshuis.
WELT: Herr Morshuis, die Zinsen sind wieder etwas gesunken, und Trei Real Estate hat Projekte im Volumen von rund 1,7 Milliarden Euro in der Pipeline. Ist die Krise überstanden?
Pepijn Morshuis: Grundsätzlich ja, allerdings gibt es immer wieder neue Herausforderungen, die den Neubau erschweren. Auch europaweit, denn seit 2022 gilt die EU-Taxonomie-Verordnung im Rahmen des Green Deals. Diese Taxonomie legt bestimmte Kriterien unter anderem für den Klimaschutz und Soziales fest, also die ESG-Kriterien, und Banken und Unternehmen haben hier gewisse Berichtspflichten. Kurz gesagt: Wer klimafreundlich baut, bekommt eine bessere Finanzierung. Daraus leiten sich höhere Ansprüche an Technik und Energieeffizienz ab – und es wird teurer.
WELT: Die EU-Regeln gelten aber auch in anderen Ländern, in Polen oder den Niederlanden, nicht nur in Deutschland.
Morshuis: Deutschland ist aber gerne Vorreiter bei der Umsetzung solcher Regeln. Zwar sind die Baukosten seit Ende 2023 um etwa zehn Prozent gesunken. Dieser kleine Preisvorteil wird aber wieder aufgehoben durch die in Deutschland geltenden Effizienzhausstandards und Nachhaltigkeits-Qualitätssiegel, die man zusätzlich vorweisen muss, wenn man eine Förderung erhalten möchte. Das hat nach unserer Rechnung zu ca. 15 Prozent Preisaufschlag geführt.
WELT: Würde allein der EH-40-Standard nicht ausreichen, um die EU-Taxonomie-Ansprüche zu erfüllen?
Morshuis: Die EU-Taxonomie geht über reine technische Standards hinaus, sodass EH-40 zwar einen sehr hohen Standard darstellt und durch die QNG-Zertifizierung ergänzt wird, jedoch trotzdem nicht alle Anforderungen der EU-Taxonomie erfüllt. Das mit dem QNG-Zertifikat tun wir uns selbst an, das ist eine deutsche Erfindung, sehr komplex. Wir erfüllen trotzdem mit all unseren Projekten in Deutschland die QNG-Plus-Kriterien, um die volle Förderung zu bekommen. Ohne die Förderung würden wir gar nicht mehr bauen. Die QNG-Zertifikate kosten trotzdem natürlich Zeit, zusätzlich, und Geld. Man benötigt mehr Nachweise, mehr Experten.
WELT: Sie könnten doch ohne Förderung bauen. Der geforderte Mindeststandard für Wohngebäude in Deutschland ist das Effizienzhaus-55.
Morshuis: Sie bekommen dafür aber nur schwer eine Finanzierung von der Bank, oder nur zu wirklich ungünstigen Bedingungen. Und nach Fertigstellung hat man es schwer, Käufer und Investoren zu finden, weil auch die auf die ESG-Kriterien achten. Wer baut und die Objekte behält und selbst betreibt, kann das vielleicht machen. Aber wir sind ein klassischer Exit-Projektentwickler. Wir bauen und verkaufen weiter.
WELT: Und das ist ja auch im klimaehrgeizigen Deutschland möglich: Trei baut in Düsseldorf-Mörsenbroich ein neues Quartier mit 140 Wohnungen.
Morshuis: Ja, aber mit Verzögerung. Wir hatten schon 2021 eine fertige Planung und einen Bauantrag gestellt. Den haben wir dann zurückgezogen, weil wir gemerkt haben, dass der Markt höhere ESG-Ansprüche stellen wird. Wir mussten neu planen, das kostete neun Monate Zeit – und entsprechend Geld. Jetzt bauen wir in Mörsenbroich mit QNG-Plus-Zertifikat. Genau das hat übrigens zu den ca. 15 Prozent höheren Kosten geführt.
WELT: Bei QNG-Plus geht es ja nicht nur um Effizienz und Wärmerückgewinnung. Wenn man sich die Kriterien anschaut, gibt es dutzende von Einzelpunkten. Die soziale Wirkung eines Gebäudes auf die Umgebung ist beispielsweise wichtig, oder die „Besucherfreundlichkeit“. Für Gründächer gibt es Punkte und für Baumaterial aus der Region.
Morshuis: Man kann nicht wirklich viel damit anfangen, außer Papier produzieren. Ein wirklich besseres Gebäude bekommt man dafür nicht. Stattdessen gibt es mehr Bürokratie und mehr Beteiligte, etwa diejenigen, die die Zertifikate ausstellen. Das ist aber noch nicht alles, denn wir müssen uns auch mit dem CSRD-Reporting beschäftigen …
WELT: Das steht für Corporate Social Responsibility Directive, die Verordnung für gesellschaftliche Unternehmensverantwortung, die besondere Nachhaltigkeitsberichte verlangt.
Morshuis: … genau, mit einer weiteren Berichtspflicht aus Brüssel. Das ist ein riesiger Aufwand, wir haben bereits sieben Leute, die sich mit nichts anderem beschäftigen, und das wird wahrscheinlich nicht reichen.
WELT: Wie entsteht ein solcher Aufwand?
Morshuis: Es ist etwas abstrakt, aber wir haben etwa 1.100 Datenpunkte, die wir ständig überwachen müssen. Die müssen mit dem Geschäftsbericht veröffentlicht werden, der etwa 110 Seiten umfasst. Der CSRD-Bericht hat zusätzlich etwa 200 Seiten, die auch vom Wirtschaftsprüfer testiert werden müssen. Die haben wiederum neue spezialisierte Berater dafür. Wir machen Wesentlichkeits-Analysen, Gap-Reporte. Diese Bürokratie spart kein Gramm CO2 ein.
WELT: Aber höhere Standards müssten doch zu weniger CO2 führen.
Morshuis: Die Intention ist richtig, aber die Maßnahmen nützen nichts oder zu wenig. Ich kann mir kaum vorstellen, dass in den CSRD-Reports von 2025 im Vergleich zu 2024 – die ohnehin eigentlich unlesbar sind – sichtbare Veränderungen zu verzeichnen sind. Wir bräuchten genauere technische Anforderungen.
WELT: Noch einmal: Diese Reporting-Regeln gelten auch in anderen Ländern. Trotzdem gehen Sie auf Abstand zum Bau-Standort Deutschland. Warum?
Morshuis: Wir kehren Deutschland nicht den Rücken. Aber im Moment ist es einfach so: Wenn uns ein Grundstück angeboten wird und wir ein Projekt darauf durchrechnen, kommen wir einfach nicht mehr in die schwarzen Zahlen. Sogar mit Fördermitteln. Es ist nicht mehr wirtschaftlich. Deshalb investieren wir jetzt mehr in Polen und in den USA. In den USA gibt es zwar auch ESG-Anforderungen, aber man geht viel pragmatischer damit um. Man überlässt es den Akteuren am Markt, wie sie ihre Ziele erreichen. Abgesehen davon fokussieren die Amerikaner mehr auf neue Wind- und Solaranlagen, also auf die Energieerzeugung, weniger auf die Gebäudeeffizienz. Natürlich bauen wir auch dort im Neubau Wärmepumpen ein, aber betreiben weniger Aufwand bei der Dämmung oder anderen Bautechniken.
WELT: Wie hält es sich mit den Baukosten in den USA? In Deutschland kostet der Quadratmeter Neubau etwa 4.000 Euro.
Morshuis: Wir kommen inzwischen sogar auf 4.500 Euro. In den USA liegen wir bei etwa 2.800 Euro, also 40 Prozent weniger. Natürlich ist ein deutsches Gebäude energetisch besser, dafür aber immer weniger bezahlbar. Hier sind auch die Grundstückspreise immer noch sehr hoch und machen 15 bis 25 Prozent eines Projekts aus, in den USA sind es zehn bis 15 Prozent.
WELT: Bauträger müssen in Deutschland nicht nur hohe Effizienz liefern, sondern im Rahmen städtebaulicher Verträge oft auch Infrastruktur, weil sich die Städte und Gemeinden finanziell überfordert sehen: Leitungen, Straßenbeleuchtung, Kitas und Begrünung müssen mitgebaut werden.
Morshuis: Wir bauen in Berlin bei einem Projekt gerade einen Spielplatz, eine öffentlich zugängliche Grünfläche, eine Kita – und eine Biberzone.
WELT: Bitte was?
Morshuis: Eine Biberzone. Am Wasser, an der Spree in Köpenick. Betreutes Jugendwohnen ist ebenfalls in dem Projekt, und natürlich 30 Prozent geförderter Wohnraum. Der Lärmpegel darf abends bei geöffnetem Fenster nur 30 Dezibel erreichen, deshalb müssen wir für zusätzlichen Schallschutz sorgen. Wir hatten fertig geplant, aber nach einem Monat stellte der Bezirk wieder neue Anforderungen. Das kostet Zeit und macht alles teurer.
WELT: Sie expandieren auch in Polen. Was ist dort anders?
Morshuis: Zunächst entwickeln wir dort weiterhin Fachmarktzentren, da ist der Markt immer noch nicht gedeckt. Und wir bauen Eigentumswohnungen, viele Leute wollen immer noch Eigentum in den Städten kaufen, das läuft ebenfalls besser als in Deutschland. Neu ist: Wir entwickeln jetzt auch Mietwohnungen, in Posen. Da entsteht ein neuer Markt, die Eigentumsquote ist bei 80 Prozent, die Nachfrage bei jungen Leuten nach Mietwohnungen wächst.
WELT: Was ist mit den Kosten?
Morshuis: Die eben genannten Erstellungskosten liegen dort bei 2.000 Euro pro Quadratmeter Mietfläche.
WELT: Dafür bekommt man doch keinen hohen Standard.
Morshuis: Doch, wir erreichen ein mit dem Effizienzhausstandard 55 vergleichbares Niveau, mit Wärmepumpe und allem Drum und Dran.
WELT: Wie kommt das?
Morshuis: Wir bauen viel mit Beton, das ist in Polen günstiger. Arbeitskosten sind günstiger, und wir arbeiten mehr mit vorgefertigten Bauteilen. Die Bauqualität ist ebenfalls höher. Es gibt weniger Fehler und Nacharbeiten, auch wegen der Vorfertigung, aber auch weil alles insgesamt schneller geht.
WELT: Können Sie das beziffern? Wie viel schneller geht es in Polen, auch was die Baugenehmigung angeht?
Morshuis: In Polen und in den USA dauert ein Bebauungsplanverfahren üblicherweise maximal zwei Jahre, oft sogar weniger, während in Deutschland mittlerweile mit einer Dauer von vier bis zehn Jahren gerechnet werden muss. Baugenehmigungen werden in Polen und in den USA in der Regel innerhalb von sechs Monaten erteilt – eine Geschwindigkeit, über die wir uns in Deutschland riesig freuen würden. Durch den Einsatz von Vorfertigung lassen sich beim Bau etwa drei Monate einsparen, bezogen auf eine Gesamtbauzeit von rund 24 Monaten.
WELT: Und der Bürgermeister von Posen verlangt keine Biberzonen?
Morshuis: Es gibt nur technische Anforderungen an die Gebäude, keine sozialen Wohnungen. Die Rendite ist in Polen für uns fast doppelt so hoch wie in Deutschland. Hier sind es 3,5 Prozent Nettorendite – übrigens nur deshalb, weil wir die Grundstücke schon lange im Bestand haben. In Polen sind es fünf bis sechs Prozent.
WELT: Was kann die nächste Bundesregierung tun, um die Baukosten zu senken? Oder verlangen Sie mehr Förderung, so wie manche Branchenverbände?
Morshuis: Beim Bau von Sozialwohnungen sollten Länder oder Städte wieder stärker selbst bauen, da die Renditeanforderungen der öffentlichen Hand andere Prioritäten setzen als der private Markt. Darüber hinaus wäre es sinnvoll, technische Anforderungen zu entschärfen, statt sie stetig zu verschärfen. Der aktuell diskutierte Gebäudetype-E stellt einen guten ersten Schritt dar, doch es gibt noch deutlich mehr Potenzial. Letztendlich muss sich die Politik der Frage stellen: Wollen wir nachhaltiger wohnen, oder bezahlbar? Beides gleichzeitig umzusetzen, wird schwierig.
Michael Fabricius beschäftigt sich schon seit einigen Jahrzehnten mit Immobilienthemen und schreibt für WELT über alles, was Eigentümer , Mieter und Investoren interessiert. Gemeinsam mit Michael Höfling ist er für den Immobilien-Newsletter „Frage der Lage“ zuständig.