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Keine ESG-Transformation ohne solide Datenbasis

Den Status Quo verstehen

Welche Grundlagen müssen erfüllt sein, um ökonomisch und ökologisch sinnvolle Entscheidungen für Immobilien zu treffen? Vor welchen Herausforderungen stehen Asset Manager und Projektentwickler wie die Trei Real Estate aktuell? Die Trei hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt, um ihr Bestandsportfolio und ihre Projektentwicklungen nachhaltig zu machen. Unterstützung bei der Aufbereitung der ESG-Daten und der operativen Maßnahmenplanung erhält die Trei von Predium. Das Unternehmen aus München hat eine Softwarelösung entwickelt, die ESG-Bilanzen von Gebäuden und Sanierungsfahrpläne ermittelt sowie beim Reporting unterstützt. Im Interview: Ivonne Mundil, Head of Sustainability & ESG bei der Trei, und Jens Thumm, Co-Founder & CEO von Predium.

Frau Mundil, die Trei hat ein großes Bestandsportfolio. Welche ESG-Maßnahmen haben für Sie aktuell im Bestand Priorität?

Ivonne Mundil: Um Maßnahmen festzulegen, benötigen wir zunächst einen Überblick über die ESG-spezifischen Daten. Dabei geht es in erster Linie um Verbrauchsdaten, die zum Teil bereits vorliegen, aber oft noch in Form von Excel-Tabellen oder aus verschiedenen Systemlandschaften gezogen werden müssen. Die Zusammenarbeit mit Predium hilft uns dabei, einen Status Quo aufzubereiten und entsprechende Maßnahmen strategisch abzuleiten. Parallel stehen bei uns 2024 die fortlaufende Digitalisierung unserer Bestands- und Verbrauchsdaten unter anderem durch Smart Metering und die Vereinbarung von Green-Lease-Klauseln mit unseren Mietern im Fokus, sodass wir die Datengrundlage in Zukunft per Knopfdruck zur Verfügung haben.

Herr Thumm, Sie unterstützen Unternehmen wie die Trei dabei, eine Status-Quo-Analyse des Portfolios durchzuführen. Wie gehen Sie dabei vor?

Jens Thumm: Wir treffen auf zahlreiche Asset Manager, die wie die Trei vor der Herausforderung stehen, ESG-bezogene Daten abzubilden. Dabei geht es nicht nur um Verbrauchs- und Emissionswerte, sondern auch um grundsätzliche Informationen zu den Objekten, z. B. welche Dämmungen oder welche Gebäudetechnik verwendet wird. Der Ansatz von Predium besteht darin, alle relevanten Daten zusammenzutragen und nicht vorhandene Informationen mithilfe unserer Algorithmik abzuschätzen. Auf dieser Basis können wir Sanierungskosten für die Objekte prognostizieren und Risikobewertungen vornehmen. Erst wenn ein ESG Status Quo aufbereitet wurde, sollten Maßnahmen für einzelne Immobilien oder ganze Portfolios strategisch abgeleitet werden.

Ivonne Mundil: Genauso geht die Trei aktuell vor. Wenn wir z. B. als Basis alle Energieausweise eingelesen haben, können wir nach und nach in der digitalen Umgebung von Predium, weitere Realdaten am Objekt anreichern über Berechnungen von Predium. Somit haben wir eine Grundlage geschaffen, das Portfolio zu analysieren und Schritt für Schritt erste sinnvolle Maßnahmen anzusetzen.

Die Trei hat viele Handelsimmobilien im Bestand. Welche Besonderheiten gibt es bei dieser Nutzungsart in Bezug auf ESG?

Ivonne Mundil: Die Besonderheit liegt nicht so sehr in der Nutzungsart begründet, eher in den Mietvertragskonditionen. Viele unserer Mieter haben sogenannte Triple-Net-Verträge abgeschlossen. Diese bieten kaufmännisch viele Vorteile, schränken aber unsere Einflussmöglichkeiten als Vermieter ein. Der Mieter trägt die Verantwortung für Betriebskosten und größtenteils für die Instandhaltung. Die Trei hat daher keinen direkten Zugriff auf die mieterseitigen Verbrauchsdaten. Um die Daten zu erhalten, müssen wir den Dialog mit den Mietern suchen und mit ihnen gemeinsam entsprechende Green-Lease-Klauseln abstimmen. Eine weitere Besonderheit betrifft die Energieausweise: Wir kennen aus der Assetklasse Wohnen die Klassifizierung von A+ bis H. Für Einzelhandelsimmobilien gibt es das in dieser Form in Deutschland nicht, was für uns die Bewertung und Clustering der Immobilien erschwert.

Jens Thumm: Es ist tatsächlich ein Problem, dass es hinsichtlich der Energiewerte von Handelsimmobilien derzeit noch keinen Standard gibt, der die Energiewerte auf einen Blick vergleichbar macht. Wir haben dazu auf der Predium-Plattform Durchschnittswerte hinterlegt, die es der Trei und anderen Unternehmen erlaubt, Gebäude miteinander zu vergleichen.

Predium prognostiziert die Entwicklung von Energiekosten und CO2-Abgaben. Wie genau und über welchen Zeitraum können Sie das vorhersagen?

Jens Thumm: Wir können Vorhersagungen für die kurze und mittlere Frist treffen, aber nicht für die kommenden Jahrzehnte . Das liegt auch in der Dynamik der Regulatorik begründet. Nehmen wir als Beispiel die aktuelle Haushaltsdebatte: Die Bundesregierung hat kurzfristig beschlossen, den CO2-Preis ab 2024 auf 45 statt wie geplant auf 40 Euro pro Tonne zu erhöhen, was natürlich Anpassungen in unserer Software zur Folge hat. Wir helfen den Asset Managern, sich flexibler aufzustellen. So hinterlegen wir z. B. kurzfristige Änderungen seitens des Gesetzgebers, sodass Asset Manager entsprechend reagieren können.

Ivonne Mundil: Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Alles, was wir jetzt angehen, müssen wir dynamisch betrachten. Dabei unterstützt uns das Predium-Tool, denn es bietet die Möglichkeit, Szenarien auf Effizienz zu prüfen. Ist es z. B. nicht viel effizienter, bei einem Objekt die Fassade oder das Dach zu dämmen, anstatt auf Ökostrom umzustellen? So erhalten wir einen Überblick, welche Ergebnisse wir in Summe für das Portfolio erzielen können. Im nächsten Schritt können wir diese Szenarien als Maßnahmen in einem Dekarbonisierungsfahrplan festschreiben und die Ziele für das internationale Portfolio festlegen.

Die Trei ist nicht nur Asset Manager, sondern auch Projektentwickler. Vor welche Herausforderungen stellt Sie die zunehmende Regulatorik?

Ivonne Mundil: Die größte Herausforderung sehen wir in der Komplexität und Dynamik der gesetzlichen Vorgaben. Unser Bestandsportfolio liegt in Deutschland und in Polen und innerhalb der Europäischen Union fallen die regulatorischen Anforderungen sehr unterschiedlich aus. Wir müssen uns mit einer Vielzahl von Vorschriften auseinandersetzen, die nicht nur komplex sind, sondern sich teilweise noch in der in Fortschreibung befinden. Diese regulatorische Dynamik führt zu großer Unsicherheit, da wir nicht wissen, welche weiteren Änderungen oder Neuerungen kommen. Projektentwicklungen können im Wohnungsbausegment vom Beginn der Planung bis zur Fertigstellung vier bis fünf Jahre oder länger benötigen, je nachdem, ob bereits Baurecht besteht, oder ein B-Planverfahren ansteht. Ändern sich in dieser Zeitspanne die Rahmenbedingungen, hat das Auswirkungen auf Baukosten oder Rendite.

Jens Thumm: Die ESG-Thematik ist noch mit viel Unsicherheit verbunden. Ich vergleiche das gern mit der Digitalisierung: Vor 10-15 Jahren hatten alle noch Angst vor dem Thema und vor allem vor der Umsetzung. Wer dann aber einmal von Papier und Stift weg war und eine neue Software oder ein Programm wie Excel ausprobierte, hat festgestellt, welche Erleichterungen damit verbunden sind. Ich bin überzeugt, dass wir in 10 Jahren Immobilien so selbstverständlich nach ESG-Kriterien managen werden, wie wir heute digitale Services nutzen.

 

Erschienen bei The Property Post 

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